HYPNOSE
Beim Stichwort Hypnose haben viele das Bild eines Bühnenkünstlers im Kopf, der aus Menschen willenlose Marionetten macht und sie dem Spott des Publikums preisgibt. «Solch verstörende Bilder haben absolut nichts mit der medizinischen und der zahnmedizinischen Hypnosetherapie zu tun», sagt Riccardo Colombo vehement. Er ist Leiter der SMSHdent der Fachgruppe für Zahnmedizin innerhalb der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Hypnose (Box).
In seiner Privatpraxis in der Nähe von Lugano bietet er Hypnosebehandlungen an, etwa für Menschen mit Spritzen- oder Zahnarztangst. Die Patientinnen und Patienten sind dabei in einem Zustand maximaler Entspannung bei gleichzeitig erhöhter Aufmerksamkeit nach innen. Dadurch
bleiben sie während der Behandlung entspannt und in einem emotional angenehmen Zustand. Bei der klassischen Hypnose bespricht Riccardo Colombo vorab mit dem Patienten, welche Ziele dieser erreichen möchte und welche Ressourcen dafür genutzt werden könnten. Danach führt er ihn in
eine Trance. «Dies ist ein spezieller Bewusstseinszustand, bei dem der Mensch
besonders fokussiert auf sein inneres Erleben und gleichzeitig erhöht empfänglich für Suggestionen ist», erklärt Riccardo Colombo.
«Meine Rolle ist dabei vergleichbar mit jener eines Bergführers: Ich sorge dafür, dass der Patient sein Ziel sicher erreicht.»
Die Aufmerksamkeit des Patienten lenken
Diese klassische Form der Hypnose kommt jedoch nur bei einem kleinen Teil der Patientinnen und Patienten zum Einsatz. Weitaus häufiger nutzen Zahnärztinnen und Zahnärzte die sogenannte hypnotische Kommunikation, die sich unter anderem durch hilfreiche Suggestionen auszeichnet. Wie das funktioniert, erklärt Eva von Aster, die als Zahnärztin an den Schulzahnkliniken der Stadt Zürich arbeitet: «Wir nutzen die Vorstellungskraft, um eine Reaktion des Körpers hervorzurufen. Stellen Sie sich vor, Sie beissen in eine aufgeschnittene Zitrone. Bei den meisten Menschen setzt diese Vorstellung den Speichelfluss in Gang, löst also einen realen physiologischen Prozess aus.»
In der Schulzahnklinik nutzt Eva von Aster die Vorstellungskraft häufig bei der Behandlung von ängstlichen und nervösen Kindern. Zunächst lotet sie spielerisch aus, wo die individuellen Ressourcen des Kindes liegen, was ihm Spass macht und was das Kind besonders fasziniert. Hierfür lassen sich bei Bedarf verschiedene Objekte nutzen: Glitzerstäbe, Finger- und Handpuppen oder auch ein vom Kind selbst mitgebrachtes Kuscheltier. «Das passiert ganz natürlich. Manche Kinder brauchen etwas länger, bis sie auf dem Behandlungsstuhl sitzen. Diese Zeit gebe ich ihnen.» Dann übernimmt die Zahnärztin die Führung (in der Fachsprache wird dies Pacing und Leading genannt). Sie lenkt die Aufmerksamkeit des Kindes auf eine angenehme Situation, gleichzeitig wird die zahnärztliche Behandlung durchgeführt. «Jeder Mensch, jedes Kind hat solche Ressourcen, und wir helfen den Patienten dabei, diese zu nutzen, in einer aus ihrer Sicht unangenehmen Situation – beim Zahnarzt.»
Eine entspannte Atmosphäre schaffen
Die hypnotische Kommunikation hat noch weitere Facetten: Jedes Bild, das im Gehirn eines Menschen hervorgerufen wird, erzeugt eine Wirkung. Dieser Umstand lässt sich nutzen, damit der Patient oder die Patientin sich wohlfühlt. Riccardo Colombo erklärt: «Wir vermeiden zum Beispiel bestimmte Wörter oder Wendungen aus der Alltagssprache, die negative Assoziationen wecken; wir pflegen einen respektvollen und empathischen Umgang, nicht nur mit unseren Patienten, sondern auch mit dem Praxisteam; wir achten auf unsere Körpersprache und darauf, wie wir uns im Raum bewegen oder welche Gerüche und Geräusche in der Praxis wahrnehmbar sind. Kurz: Wir unterlassen alles, was Angst oder Widerstände aufbauen könnte. Die gesamte Praxisumgebung ist darauf ausgerichtet, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.»