Teenager – Herausforderung oder Bereicherung im Praxisalltag?
Eine Selbstreflexion von uns…
Wie können wir im Teenageralter ein gutes und professionelles präventives Konzept durchführen, indem nicht nur Frustration und Misserfolge, sondern Erfolge und Motivation auf beiden Seiten zu erreichen sind? Diese Patientenklasse findet oft zu wenig Beachtung. Im nachfolgenden Beitrag wird der Fokus speziell auf den Umgang und die Mundhygienemotivation bei Jugendlichen gelegt.
Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen
Sind wir nicht alle immer wieder erstaunt, wie schnell (Klein-)Kinder erwachsen und älter werden? Haben wir sie gerade noch im Kita- und Grundschulalter betreut und in der häuslichen Mundhygiene angeleitet, sind sie auch schon im Teenageralter und in der Pubertät. Aus Kindern werden kleine/große Erwachsene, die ihre eigene Persönlichkeit suchen und entwickeln. Einst fröhliche und ausgeglichene Kinder sind nun zurückhaltend, stur und in sich gekehrt. Das Thema Mundhygiene spielt bei einigen Jugendlichen eine große, oftmals schon übertriebene Rolle und bei anderen gar keine. Kein Alter ist so „kompliziert“ beim Heranwachsen und so herausfordernd wie das pubertäre. Diese Herausforderung sensibel und individuell anzunehmen sowie die Bedürfnisse individuell zu erkennen, ist unsere Aufgabe, wenn wir authentisch und professionell in dieser Altersgruppe Individualprophylaxe in der Praxis betreiben wollen.
Kommunikation nonverbal und verbal
Wir sollten nicht den „schlechtesten“ Tag oder eine negative Einstellung zuunseren jugendlichen Patienten haben und dies ggf. auch über unseren Gesichtsausdruck zeigen. Gerade in der Pubertät sind die Jugendlichen emotional sehr empfänglich für solche Botschaften. Negative, wie ein Kopfschütteln oder verbale „Zurechtweisungen“, z. B., dass die Mundhygiene schlecht ist und auf jeden Fall verbessert werden muss, bewirken in der Regel nur, dass der Patient den Kopf wegdreht und gar nicht weiter zuhört. Für alle Beteiligten sind Negativbotschaften nur kräftezehrend und demotivierend. Eine freundliche Stimmlage und entspannte Gesichtszüge, nicht vorwurfsvoll, sondern motivierend, bringen weit mehr für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in dieser Zeit als Kritik und Belehrungen.
Motivation und Zusammenarbeit
Das Einhalten der Prophylaxe- und Vorsorgetermine ist schon immer als Gewinn der Zusammenarbeit mit den Teenagern zu sehen. Die Patienten können aber jeden Termin absagen oder nicht erscheinen. Das kann natürlich immer passieren und die Compliance verläuft eher schlecht. Es sollte jedoch die Ausnahme bleiben, und dazu kann ein sensibler, ggf. freundschaftlicher oder kumpelhafter Umgang mit den Teenagern viel beitragen. Je besser das Vertrauen in den vorangegangenen Jahren aufgebaut wurde, umso leichter fällt beiden Seiten oftmals der Umgang miteinander in der Pubertät. Patienten, die in diesem Alter als Neupatient kommen, erfahren durch eine aufgeschlossene Kommunikation von Anfang an, dass man mit ihnen zusammenarbeiten möchte und nicht gegen sie arbeitet. Der erste Kontakt und Eindruck, den die jugendlichen Patienten wahrnehmen, ist entscheidend für die weitere Zusammenarbeit.
Lob und Anerkennung
Wie alle Patienten, so hören uns die Teenager viel besser zu, wenn wir ihnen zugewandt und mit dem nötigen Respekt und Abstand Lob und Anerkennung für das Erscheinen aussprechen. Eine kurze Erläuterung des Behandlungsablaufs gibt ihnen Sicherheit und das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Wir sollten Patienten in dieser Altersgruppe nicht mit häuslichen Mundhygienehilfsmitteln und Instruktionen über-, aber auch nicht unterfordern. Herauszufinden, wie das optimale Instruieren sein sollte, ist die tägliche Herausforderung in allen Altersgruppen. Je besser wir uns auf unsere Patienten einlassen können und ihnen zuhören, umso mehr erfahren wir über ihre Motivation, was sie z. B. in der häuslichen Mundhygiene umsetzen können und wollen. Das ist der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit.
Mundhygieneinstruktion und Compliance
Sensibel müssen wir nach Befunderhebung des Plaque-Indizes herausfinden, wozu der Patient jetzt gerade bereit ist, um etwas für seine häusliche Mundhygiene zu tun. Das Einfärben der Plaque ist Grundlage für die Erhebung des Plaque-Indizes in jeder Sitzung, das Zeigen der eingefärbten Stellen jedoch nicht. Versetzen wir uns in das Alter und die Lage der pubertären Jugendlichen: Sie fühlen sich oft bloßgestellt und eingeschüchtert. Es könnte für lange Zeit der letzte Termin gewesen sein, zu dem sie erscheinen. Um solche Situationen zu vermeiden, hilft es, Patienten zu fragen, ob sie sich den Befund im Spiegel mit ansehen möchten. Dass die Entscheidung bei den Patienten liegt, zeigt ihnen, dass man mit ihnen zusammenarbeiten möchte. Genauso kann bei der Besprechung der häuslichen Mundhygienehilfsmittel verfahren werden. Ehrlichkeit, was der Patient wirklich zu Hause umsetzt und/oder umsetzen kann, ist zu diesem Zeitpunkt das beste Fundament für eine gute Zusammenarbeit. So können in dieser Zeit auch Kompromisse und kleine „Verträge“ eingegangen werden. Wird die Putztechnik gut instruiert und eine fluoridhaltige (ca. 1.500 ppm) Zahnpasta empfohlen, so kann man manchmal den Kompromiss eingehen, dass die Zwischenraumreinigung nur ein- bis zweimal wöchentlich durchgeführt werden kann und der nächste Termin, statt nach einem halben Jahr, bereits in drei Monatenansteht (s. Abschnitt Abrechnung). Wenn wir in den Augen der Jugendlichen in diesem Moment als cool erscheinen, können wir davon ausgehen, dass sie sich eher an diese Vereinbarung halten, als wenn nur Verbote und zu viele Instruktionen vermittelt werden.Die Auswahl der Hilfsmittel besteht in der Regel aus einer Zahnbürste, je nach Motorik (manuell/elektrisch/Schall), einer fluoridhaltigen Zahnpasta und je nach Zwischenraumgröße aus Zahnseide/Flossette (z. B. GUM [Sunstar]), Picks [TePe]) oder Zwischenraumbürstchen. Auch hier ist nachzufragen, womit der Patient gerne reinigen möchte und womit er zurechtkommt. Erweitert werden können die Mundhygienehilfsmittel mit einem Zungenreiniger, ggf. bei festsitzender KFO mit einer fluoridhaltigen Spüllösung oder dem einmal wöchentlichen Einbürsten eines Gelees.
Fazit
Das Teenageralter ist ein spannendes, herausforderndes und cooles Alter, indem die Weichen für eine gute lang anhaltende präventive Zusammenarbeit gelegt werden können. Ziel der Arbeit mit Patienten gerade in diesem Alter sollte es sein, ihnen zuzuhören, um auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können. So sollten wir sensibel herausfinden, wozu sie im Teenageralter bereit sind und wozu nicht. Wir sollten Kompromisse schließen können und den Patienten freundlich und respektvoll verbal und nonverbal gegenübertreten. Ein freundliches Lächeln und Interesse z. B. für ihre Hobbys und Anliegen sind die Grundlage für eine erfolgreiche, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Lob und Anerkennung sind außerdem wichtige Pfeiler – in jedem Alter. Eines ist gewiss: Die Pubertät ist temporär und sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bei einigen Patienten dauert sie länger, bei anderen ist sie kaum merkbar und schneller vorüber. Gerade diese Herausforderung, jeden Patienten als Individuum und in verschiedenen Altersstufen kennenzulernen und zu begleiten, macht unseren Praxisalltag spannend und im positiven Sinn herausfordernd.
Quelle: https://epaper.zwp-online.info/epaper/sim/prj/2022/prj0522/#10