Menschen mit Diabetes haben ein dreifach erhöhtes Risiko, eine Parodontitis zu entwickeln. Diese wiederum verläuft unter der Stoffwechselerkrankung besonders gravierend und erschwert die Blutzuckereinstellung. Der Blick in den Mund und die Zusammenarbeit mit Zahnärzten gehört demnach zur Diabetestherapie dazu.
Experten schätzen, dass es in Deutschland mehr als 20 Millionen Menschen (ähnlich sieht es in der Schweiz aus) mit behandlungsbedürftigen Parodontalerkrankungen gibt, davon dürften mindestens 8 Millionen schwer betroffen sein. Problematisch ist, dass man die Erkrankungen selten mit dem „bloßen Auge“ erkennt und sie weitestgehend schmerzlos verlaufen, so Professor Dr. Nicole B. Arweiler, Abteilung für Parodontologie der Philipps-Universität Marburg. Das verzögert häufig Diagnose und Therapie.
Verschiedene Faktoren wie fortgeschrittenes Lebensalter, Rauchen, psychosozialer Stress, Schwangerschaft, Ernährungsverhalten, genetische Disposition oder Diabetes mellitus begünstigen die Entwicklung einer Parodontitis. Für die Allgemeingesundheit können die Entzündungsherde im Mund massive Folgen haben, da es nicht selten zu bakterieller Dissemination und systemischer Inflammation kommt.
So entstehen Parodontalerkrankungen
Zuerst akkumuliert ein bakterieller Biofilm (Plaque) auf den Zähnen, der zu einem entzündeten Zahnhalteapparat mit Taschenbildung und beschädigtem Faserapparat führen kann. Als Folge besiedeln fakultative und anaerobe Mikroorganismen die Zahnfleischtaschen, potenziell werden Wurzelhaut und Knochen zerstört – der Zahn fällt aus. Bei der Parodontitis unterscheidet man akute (aggressive) von chronischen Verläufen.
Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Erkrankungen wie Arteriosklerose, Herzinfarkt oder rheumatoider Arthritis ist inzwischen gut fundiert, eine bidirektionale Beziehung zwischen Parodontitis und Diabetes gilt als gesichert.
Teufelskreis zwischen Diabetes und Parodontitis durchbrechen
Wie sich beides gegenseitig beeinflusst, erläuterte Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Zentrum/Innere Medizin/Fünf Höfe, München: Hyperglykämie führt u.a. zu oxidativem Stress, setzt Entzündungsmediatoren frei und fördert die Entstehung von „advanced glycation endproducts“, die eine Parodontitis und eine parodontale Destruktion fördern. Umgekehrt werden bei Parodontitis z.B. vermehrt Stresshormone und Cortisol ausgeschüttet, was wiederum den Blutzucker erhöht. Dies macht sich in vieler Hinsicht klinisch bemerkbar:
Parodontitis erhöht die Wahrscheinlichkeit für (Prä-)Diabetes.
Das Parodontitisrisiko hängt von der Blutzuckereinstellung ab.
Hohe HbA1c-Werte gehen i.d.R. mit einem schweren parodontalen Krankheitsverlauf einher.
Unter Diabetes schreiten parodontale Erkrankungen schneller voran und Betroffene sprechen schlechter auf die Therapie an.
Je ausgeprägter die Parodontitis (Sondierungstiefe, Zunahme von entzündetem parodontalem Gewebe), desto schwieriger die Stoffwechselkontrolle (HbA1c-Anstieg).
Eine Parodontitis erhöht die Prävalenz diabetischer Folgeerkrankungen.
Diabetespatienten mit schwerer Parodontitis weisen gegenüber Zahngesunden mit Diabetes ein erhöhtes Mortalitätsrisiko auf.
Für eine optimale Betreuung sollte man regelmäßig die Mundgesundheit überprüfen und bei Bedarf an Zahnarzt oder Zahnärztin überweisen, so die Expertin.
Diabetesfrüherkennung durch den Zahnarzt?
Diese müssten ihrerseits bei Parodontitisfällen den Blutzucker kontrollieren und Risikoprofile erstellen – und damit zur Diabetesfrüherkennung beitragen. Der Gesundheitspass Diabetes sollte zudem ein zahnärztliches Konsil beinhalten, forderte Prof. Schumm-Draeger.