Neue Studien bestätigen Zusatznutzen von Mundspülungen

Unabhängig von der Qualität der mechanischen Reinigung kann die zusätzliche Anwendung einer Mundspüllösung mit antibakterieller Wirkung (z.B. Listerine) die tägliche Mundhygiene optimieren: Dass sich mit dieser einfach realisierbaren Maßnahme die Plaque-Kontrolle signifikant verbessern lässt, bestätigen die Ergebnisse zweier aktueller klinischer Studien1,2:

Studie 1: Klinische Wirksamkeit von Mundspülung auf Plaque im Vergleich zu Zahnseide1

Ergebnis: Das Spülen des Mundraumes mit Listerine bietet bei zweimal täglicher Anwendung über 12 Wochen eine 4,6 mal höhere interproximale Plaque-Prävention als die tägliche Anwendung von Zahnseide durch eine Dentalhygienikerin*.

Studie 2: Die Effekte von Mundspülungen mit ätherischen Ölen als Teil der Mundhygiene-Routine2

Ergebnis: Die Ergänzung von Listerine als dritten Schritt zur Kombination aus Zähneputzen und Zahnseide-Anwendung führt zu einer Reduktion der interproximalen Plaque um 28,4 % mehr gegenüber dem zweimal täglichen Zähneputzen in Kombination mit einer täglichen Zahnseide-Anwendung**.

Lesen Sie mehr dazu: https://www.listerine.eu/

* Anhaltende Plaque-Prävention über dem Zahnfleischrand bei kontinuierlicher zweimal täglicher Anwendung über 12 Wochen nach professioneller Zahnreinigung. Die Anwendung von Zahnseide wurde von einem:er Dentalhygieniker:in durchgeführt.
** Anhaltende Plaque-Reduzierung über dem Zahnfleischrand bei kontinuierlicher, zweimal täglicher Anwendung über 12 Wochen nach professioneller Zahnreinigung. Die Nutzung der Zahnseide wurde einmal täglich an Wochentagen beaufsichtigt. Verwenden Sie Listerine immer in Ergänzung zur mechanischen Reinigung (3-fach-Prophylaxe).

Quellenangaben:
[1] Bosma ML, et al. Efficacy of Flossing and Mouthrinsing Regimens on Plaque and Gingivitis: A randomized clinical trial. J Dent Hyg. 2022; 96(3):8-20.
[2] Milleman J, et al. Comparative Effectiveness of Toothbrushing, Flossing and Mouthrinse Regimens on Plaque and Gingivitis: A 12-week virtually supervised clinical trial. J Dent Hyg. 2022; 96(3):21-34.

Quelle: Johnson & Johnson

Tauschen wir bald unsere Zahnbürste gegen Mikro-Roboter?

Lieber Patient:innen

Lesen Sie mal was die uns die Zukunft bringt.
Da lobe ich mir doch die gute alte Handzahnbürste oder Schallzahnbürste. Zwei Minuten morgen und zwei Minuten abends, vorher oder nachher Zahnseide verwenden!
Ihre Zahnarztpraxis Rafz und das ganze Team

Nun zum Bericht:

Ganz so weit ist es noch nicht. Dennoch konnten Forschende zeigen, dass ein formwandlungsfähiger Mikro-Roboterschwarm Biofilme an menschlichen Zähnen und in Zahnzwischenräumen in vitro effektiv beseitigen kann – ganz ohne Zahnbürste und Zahnseide.

Ein Roboter-Mikroschwarm aus Eisenoxid-Nanopartikeln in borstenähnlichen Strukturen hat in Versuchen Zahnoberflächen wirksam von Plaque befreit. Minjun Oh/Penn Dental Medicine

Ein Team der Universität von Pennsylvania hat eine Technologie entwickelt, mit der man in Zukunft automatisiert Zähne reinigen kann. Dazu verwendeten sie Mikro-Roboter aus Eisenoxid-Nanopartikeln, die sowohl katalytische als auch magnetische Wirkung haben.

DIE ROBOTER KÖNNEN AUCH  ZAHNSEIDE IMITIEREN

Mithilfe einer extra entwickelten Plattform zur elektromagnetischen Steuerung der Mikro-Roboter konnten die Forscher verschiedene Konfigurationen vornehmen und auch antimikrobielle Substanzen an Ort und Stelle gezielt freisetzen. Über ein Magnetfeld konnten sie ihre Bewegung so steuern, dass die Roboter entweder borstenartige Strukturen bilden, die Biofilm von den Zahnflächen entfernen, oder längliche Fäden, die wie Zahnseide in die Zwischenräume gleiten.

Experimente mit diesem System an künstlichen und echten menschlichen Zähnen zeigen: Die Robotereinheiten können sich unabhängig von der Zahnstellung verschiedenen Formen anpassen, um Biofilme nahezu zu beseitigen. Dies wurde bislang allerdings lediglich in vitro erprobt. Die Eisenoxid-Nanopartikel sind von der US-Gesundheitsbehörde FDA für andere Anwendungen zugelassen. Tests der Borstenformationen an einem Tiermodell zeigten, dass sie das Zahnfleischgewebe nicht schädigen. Um die Technologie auch klinisch einsetzbar zu machen, arbeitet das Team weiter an der Optimierung der Roboterbewegungen und erprobt verschiedene mundgerechte Vorrichtungen.

Die Vision der Forschenden ist, das System so weiterzuentwickeln, dass vor allem Nutzer davon profitieren, denen die manuelle Geschicklichkeit fehlt, um ihre Zähne selbst effektiv zu reinigen. Dies soll in Zukunft möglich sein, da das System kann so programmiert werden kann, dass es die Montage der Partikel und die Bewegungssteuerung automatisch durchführt.

Oh MJ, Babeer A, Liu Y, Ren Z, Wu J, Issadore DA, Stebe KJ, Lee D, Steager E, Koo H. Surface Topography-Adaptive Robotic Superstructures for Biofilm Removal and Pathogen Detection on Human Teeth. ACS Nano. 2022 Jun 28. doi: 10.1021/acsnano.2c01950. Epub ahead of print. PMID: 35764312. doi.org/10.1021/acsnano.2c01950

Reduzierte Kaufunktion ist Risikofaktor für Demenz

Studien deuteten bereits auf einen Zusammenhang zwischen Zahnverlust und kognitiver Beeinträchtigung bei älteren Erwachsenen hin. Der Grund ist in der Rückkopplung von Gehirn und Kaumuskeln zu suchen.

Wissenschaftler vermuten bereits seit einiger Zeit, dass eine verminderte Kaukraft bei zahnlosen älteren Menschen zu einer Abnahme der Stimulation des Hippocampus führen könnte und so die Kognition beeinträchtigt.

Studien darüber befassten sich in der Vergangenheit nur mit kleineren Kohorten (zum Beispiel Patienten in Wohngruppen) oder mit Probanden aus regional begrenzten Gebieten. Eine Arbeitsgruppe aus Boston, USA, nutzte für ihre retrospektive Kohortenstudie nun medizinische und zahnmedizinische Daten einer Krankenversicherung aus den gesamten USA [Choi S.E. et al., 2022].

In die Studie wurden Daten von 156.450 Erwachsenen ab 65 Jahren einbezogen, die drei Gruppen zugeordnet wurden:

  1. Totalprothesenträger in beiden Kiefern
  2. Totalprothesenträger in nur einem Kiefer (Teilprothese oder natürliche Zähne im Gegenkiefer)
  3. natürliche Zähne in beiden Kiefern (kein Zahnersatz)

Bei den Totalprothesenträgern in beiden Kiefern lag die Prävalenz klinischer kognitiver Beeinträchtigungen bei 10,45 Prozent, bei den Probanden mit einer Totalprothese in nur einem Kiefer bei 10,31 Prozent. Probanden ohne Zahnersatz wiesen nur zu 5,81 Prozent kognitive Beeinträchtigungen auf.

ZAHNVERLUST WAR SIGNIFIKANT MIT KOGNITIVER BEEINTRÄCHTIGUNG ASSOZIIERT

Nach Bereinigung der Zahlen um individuelle Risikofaktoren war der Prothesenstatus signifikant mit klinischer kognitiver Beeinträchtigung assoziiert (Odds Ratio von 1,13 / 95 % KI: 1,02–1,25 und 1,26 / 95 % KI: 1,09–1,45 für Vollprothesen in einem beziehungsweise beiden Kiefern). Bei Einbeziehung erster Anzeichen und Symptome einer kognitiven Beeinträchtigung lag die Prävalenz sogar bei 16 Prozent der Probanden mit einer Totalprothese in einem Kiefer, gegenüber 9,21 Prozent in der Gruppe ohne Zahnersatz.

ES BESTEHT EINE RÜCKKOPPLUNG ZWISCHEN GEHIRN UND KAUFUNKTION

Die Kaufunktion wird vom Hirnstamm aus über den Nervus Trigeminus innerviert. Umgekehrt erhält das Gehirn über Propriozeptoren der Zähne sensorische Reize über den Trigeminusnerv. Das verminderte Kauen mit natürlichen Zähnen führe zu einer reduzierten Stimulation des Hippocampus und damit zu Gedächtnisproblemen, vermuten die US-Forscher.

Choi, S.E., Mo, E., Palmer, N. et al. Cognitive impairment and edentulism among older adults: an observational study using claims data. BMC Geriatr 22, 278 (2022). https://doi.org/10.1186/s12877-022-02985-w

Ein Loblied auf Dafalgan?

Liebe Patient:innen

Nun kommt viel Fach-Chinesisch. Die Empfehlung lautet Dafalgan als Schmerzmittel nach einer Wurzelbehandlung.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass es kaum Schmerzen nach einer Wurzelbehandlung gibt. Die Empfehlung lautet daher: Dafalgan. bei wirklich starken Schmerzen haben wir auch noch die Wunderwaffe Mefenacid 500 mg (Ponstan).

Nun die Detailinformationen:

Endo: NSAIDs und Paracetamol haben den größten Effekt

Welches ist das beste postoperative Medikament zur Schmerzlinderung nach einer nichtchirurgischen Wurzelbehandlung? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich eine neue Studie.

Die Studie aus dem Iran basiert auf der Auswertung verschiedener Datenquellen, darunter die Datenbanken Medline, Embase, CENTRAL, Cumulative Index to Nursing, Allied Health Literature und Scopus sowie das WHO International Clinical Trials Register. Die Daten wurden bis zum 31. Juli 2019 erhoben. Infrage kamen alle randomisierten klinischen Studien (RCT) zur nichtchirurgischen endodontischen Therapie mit pharmazeutischen Behandlungen, die postoperativ zur Schmerzlinderung bei erwachsenen Patienten durchgeführt wurden.

Die oralen Medikamente wurden in die Gruppen Placebo, nicht-steroidale Antirheumatika (NSAIDs), Opioide, Paracetamol, NSAIDs + Paracetamol, Kortikosteroide, NSAIDs + Benzodiazepine und NSAIDs + Opioide eingeteilt.

Geringe Wirksamkeit der Schmerzmittel verglichen mit Placebo

Mit mäßiger Sicherheit erwiesen sich NSAIDs + Paracetamol 6–8 Stunden nach einer nichtchirurgischen Wurzelkanalbehandlung als wirksamer als Placebo (MD = 22; 95% CrI = [-38, -7,2]). Mit sehr geringem Unterschied hatten NSAIDs nach 12 und 24 Stunden eine größere Wirkung als Placebo (MD = 28; 95% CrI = [49, 7] bzw. MD = 15; 95% CrI = [27, 2,3]). Nach 6, 12 und 24 Stunden waren die anderen Medikamente in Bezug auf die Schmerzlinderung nicht wirksamer als Placebo. Nach 48 Stunden war keine Behandlung wirksamer als Placebo. Eine Untergruppenanalyse ergab, dass andere Medikamente wie Kortikosteroide und Paracetamol für Patienten, die keine NSAR einnehmen konnten, nicht wirksamer waren als Placebo. Sechs Studien lieferten Daten zur Sicherheit und kamen zu dem Schluss, dass die Therapien sicher sind und keine nennenswerten Risiken bergen.

Schlussfolgerung

Die sehr schwache bis mäßige Qualität der Nachweise deutet darauf hin, dass die postoperative Verabreichung von NSAIDs und Paracetamol oder NSAIDs allein die Beschwerden nach einer nichtchirurgischen Wurzelkanalbehandlung bei Patienten mit irreversibler Pulpitis oder Pulpanekrose verringert.

Zur Studie: https://doi.org/10.1038/s41432-022-0265-8

Mal etwas ganz anderes…. die liebe Handynutzung 

Nackenschmerzen, Fettleibigkeit, Depressionen und die Entwicklung einer Abhängigkeit sind die Folgen einer allzu starken Smartphone-Nutzung. Doch damit es einem wieder besser geht, muss man nicht komplett aufs Handy verzichten. Sich schon eine Stunde täglich weniger mit dem Smartphone zu beschäftigen reicht aus, um das Wohlbefinden zu steigern.

Drei Stunden pro Tag verbringen Menschen durchschnittlich mit ihrem Smartphone. Das Abtauchen in digitale Welten gehört zum modernen Alltag dazu, doch geht es oftmals einher mit negativen Folgen wie Nackenschmerzen, weniger körperlicher Aktivität, Fettleibigkeit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit bis hin zum Suchtverhalten. Digital Detox – also eine Entwöhnung vom Smartphone – wird deshalb immer wieder gefordert. Doch ein absoluter Verzicht auf Handy & Co. ist nicht nötig, haben PD Dr. Julia Brailovskaia und ihr Team vom Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum herausgefunden. Schon eine Stunde täglich weniger Beschäftigung mit dem Smartphone reicht aus, um langfristige Veränderungen in den Bereichen Lebenszufriedenheit und gesünderer Alltag zu bewirken.

In der Bochumer Studie verzichteten 200 Testpersonen eine Woche komplett aufs Handy, ähnlich große Vergleichsgruppen nutzten ihr Smartphone wie bisher (n = 193) beziehungsweise reduzierten ihre Nutzungsdauer um eine Stunde (n = 226). Direkt im Anschluss an die Testwoche sowie einen Monat und vier Monate danach wurden die Teilnehmer ausführlich befragt. Im Fokus standen Lebensgewohnheiten und Befinden, fest gemacht an Indikatoren wie Bewegung, Zigarettenkonsum, persönliche Zufriedenheit sowie dem Auftreten von Angst oder depressiven Stimmungen. Das Ergebnis: Sowohl der komplette Verzicht als auch die einstündige Reduktion der täglichen Nutzung hatten positive Effekte auf Lebensstil und Wohlbefinden. Im Vergleich zu den Probanden, die ihr Smartphone wie gewohnt weiter genutzt hatten, war in beiden Verzichtgruppen an allen drei Kontrollterminen die Lebenszufriedenheit und die Zeit körperlicher Aktivität höher. Gleichzeitig gingen bei ihnen Depressions- und Angstsymptome und auch der Nikotinkonsum zurück, berichtet Dr. Brailovskaia.

Die Interventionswoche wirkte sich auch auf die weitere Handynutzung aus. Die Teilnehmer der Abstinenzgruppe gaben vier Monate nach der Testwoche an, ihr Handy täglich durchschnittlich 38 Minuten weniger zu nutzen als vor dem Test. Diejenigen, die ihre Smartphone-Zeit nur um eine Stunde reduziert hatten, griffen sogar durchschnittlich 45 Minuten täglich weniger zu ihrem Handy. „Es ist also nicht nötig, komplett aufs Smartphone zu verzichten, um sich besser zu fühlen“, folgert Dr. Brailovskaia aus den Studienergebnissen. Möglicherweise gibt es eine optimale Nutzungsdauer.

Quelle: https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/digital-detox-muss-nicht-total-sein

neu: sanfte Anästhesie in Rafz

Liebe PatientenInnen

Ihr Wohlgefühl ist für uns von großer Bedeutung!
Deshalb bieten wir Ihnen schmerzfreie Injektionen
mit dem Computer Assistierten System an.

Das System fördert eine sanfte aber effektive
Anästhesie, welche komfortabel und eigentlich
schmerzfrei ist.

Dies hilft Angst zu reduzieren und erlaubt Ihnen
während der Behandlung entspannt zu bleiben.

Verlassen Sie die Praxis ohne taube Wange, Zunge und Lippen,
wenn Sie eine Einzelzahn Anästhesie bekommen haben.

Die Wirkung ist schnell und schonend
mit sofortigem Beginn der Anästhesie.

Wie läuft es ab?

Computer assistierte Anästhesie bringt das
Anästhetikum mit sanfter und gleichmäßiger
Geschwindigkeit druckfrei ein. Dies gibt dem
Anästhetikum Zeit sich fein und völlig zu verteilen.

Dies bedeutet, die Wirkung des Anästhesies
beginnt bevor die Injektion beendet ist. Es vermeidet
das unangenehme Gefühl des Zusammenziehens
und Stechens im Mundgewebe.

Eine manuelle Injektion (mit einer üblichen
Spritze) kann manchmal Beschwerden verursachen,
speziell wenn das Anästhetikum zu
schnell verabreicht wird und sich im Gewebe
sammelt. Dies wird durch eine Computer Assistierte
Injektion zuverlässig vermieden.

Haben Sie Fragen? Rufen Sie uns an:

044 869 07 44

Ihre Zahnarztpraxis Rafz

Familie UND finanzielle Sicherheit haben Priorität

Die Pandemie hat das Privatleben der Heilberufler stark beeinträchtigt, aber auch deren Wunsch nach Fortbildung und fachlichem Austausch befeuert. Die Familie steht zwar noch ganz oben, doch nehmen materielle Werte stark an Bedeutung zu. Das zeigt die neue Studie „Inside Heilberufe“ der Apotheker- und Ärztebank (apoBank).

Materielle Werte nehmen deutlich an Bedeutung zu: Den höchsten Stellenwert hat nach wie vor das Familienleben, doch das Gefühl der finanziellen Sicherheit wurde in den letzten Jahren fast genauso wichtig. Materielle Aspekte wie Einkommen, hoher Lebensstandard, Eigentum oder Vermögensbildung haben deutlich an Relevanz gewonnen.

Die Pandemie hat die Prioritäten verschoben. Den höchsten Stellenwert hat nach wie vor das Familienleben, mit 92 Prozent ist es den Befragten aber nur minimal wichtiger als finanzielle Sicherheit – der Wert lag 2016 bei 85 Prozent und ist auf 91 Prozent gestiegen. Wichtiger finden die Heilberufler auch ein hohes Einkommen und den Lebensstandard (von 58 Prozent auf 65 Prozent), Eigentum (von 56 Prozent auf 64 Prozent) oder die Vermögensbildung (von 55 Prozent auf 64 Prozent).

Nachhaltiger Lebensstil ist den Frauen wichtiger: Finanzielle Themen haben bei beiden Geschlechtern an Relevanz gewonnen, sind für Männer jedoch weiterhin wichtiger als für Frauen. Dagegen sind Frauen eher altruistische Motive wie Menschen helfen und Umweltschutz wichtig. | Inside Heilberufe III / apoBank

Auf die Frage nach den Gründen für diese Verschiebung sehen nur 14 Prozen einen Zusammenhang mit der Corona-Krise. Was die Auswirkungen der Pandemie betrifft, so hat vor allem das Privatleben gelitten: Die Befragten fühlen sich beim Reisen (80 Prozent), in ihrer Freizeit (60 Prozent), bei gesunder Lebensweise und Fitness (37 Prozent) sowie im Familienleben (31 Prozent) und bei ihrem gesellschaftlichen Engagement (28 Prozent) beeinträchtigt. Negative Folgen auf ihre berufliche Karriere sehen hingegen lediglich 9 Prozent.

JEDER FÜNFTE ANGESTELLTE PLANT EINE NIEDERLASSUNG

Nach den Vorhaben für die nächsten drei Jahre befragt, nennen 22 Prozent der angestellten Heilberuflerinnen und Heilberufler die Niederlassung beziehungsweise Selbstständigkeit, insgesamt plant ein Drittel einen Karrieresprung, für genauso viele steht aber auch Kindererziehung auf der Agenda. Die im Schnitt älteren Niedergelassenen haben andere Pläne: Für 29 Prozent steht die Vorbereitung auf den Ruhestand an und damit die Abgabe der eigenen Praxis oder Apotheke. 27 Prozent planen, sich ehrenamtlich zu engagieren.

METHODIK

Für die Studie „Inside Heilberufe“ wurden im Auftrag der apoBank 503 Heilberuflerinnen und Heilberufler durch das Kölner Institut DocCheck Insights online befragt: 100 Ärzte, 103 Zahnärzte, 100 Fachärzte, 100 Apotheker sowie 100 Medizin-, Zahnmedizin- oder Pharmaziestudierende ab dem 6. Semester. Die Stichprobe setzt sich zu gleichen Anteilen aus angestellten und selbstständigen Berufstätigen zusammen. Ziel der Befragung ist die kontinuierliche Erfassung der Veränderungen bei Zielen, Werten und Wünschen von Heilberuflerinnen und Heilberuflern seit 2016.

Zum Geschlechtervergleich: Die Mehrheit der befragten Frauen ist angestellt, die der Männer niedergelassen – entsprechend unterschiedlich ist die Karriereplanung. Während jede vierte Heilberuflerin einen Karrieresprung plant, haben dies nur 15 Prozent der männlichen Kollegen vor. Dabei strebt ein Drittel der Frauen eine Anstellung außerhalb des Klinikbetriebs an, 13 Prozent wollen sich niederlassen.

DRINGENDSTER WUNSCH IST WENIGER BÜROKRATIE

Der Wunsch nach weniger Dokumentations- und Verwaltungsarbeit bleibt weiterhin ganz oben auf der Liste, vor allem für Selbstständige (91 Prozent). Zwei Drittel der Befragten wünschen sich auch mehr Zeit für die Patienten.

Pandemiebedingt haben vor allem der Wunsch nach mehr Austausch mit Kolleginnen und Kollegen (von 44 Prozent auf 56 Prozent) sowie der Wunsch nach mehr Fort- und Weiterbildung (von 46 Prozent auf 48 Prozent) zugenommen. Gerade bei Selbstständigen ist offenbar der Bedarf an Weiterbildung deutlich gestiegen (von 29 Prozent auf 48 Prozent).

Für Zahnärztinnen und Zahnärzte ist die Bedeutung von hohem Einkommen beziehungsweise Lebensstandard und der Vermögensbildung 2022 gestiegen. | Inside Heilberufe III / apoBank

Das Privatleben ist viel stärker von der Pandemie beeinträchtigt als der berufliche Alltag: Für über ein Drittel der Befragten hatte die Pandemie einen negativen Einfluss auf eine gesunde Lebensweise sowie die persönliche Fitness. Finanziell fühlen sie sich durch die Pandemie weniger stark betroffen. | Inside Heilberufe III / apoBank

Allmählich werden digitales Datenmanagement und innovative Gesundheitsleistungen für immer mehr Heilberufler notwendig: Im Vergleich zu 2019 ist der Anteil derer, die sich mehr davon wünschen, um 9 beziehungsweise 8 Prozentpunkte gestiegen. Dabei gibt es einen großen Unterschied, ob sie als Angestellte oder als Selbstständige arbeiten: Für die Niedergelassenen scheint die Digitalisierung der Praxis weiterhin ein ambivalentes Thema zu sein, 38 Prozent wünschen sich weniger digitales Datenmanagement – 29 Prozent mehr.

FÜR STUDIERENDE SOLL DER PATIENT IM FOKUS STEHEN

Auf die Frage nach den Wünschen für die berufliche Zukunft nennen drei Viertel der Studierenden zuerst genug Zeit für die Patientenschaft. Es folgen Weiterbildung sowie eine freie und flexible Arbeitszeitgestaltung. Der fachliche Austausch ist für knapp die Hälfte relevant, erst danach kommt ein hohes Einkommen.

Gut ein Fünftel der Angestellten plant eine Niederlassung, fast ein Drittel der selbstständigen Heilberuflerinnen und Heilberufler will in den nächsten drei Jahren in den Ruhestand gehen. Demgegenüber stehen 22 Prozent der Angestellten, die eine Niederlassung oder Selbstständigkeit planen. | Inside Heilberufe III / apoBank

Jede vierte Frau will ihre berufliche Karriere vorantreiben: Frauen setzen sich in den nächsten drei Jahren häufig eine außerklinische Angestelltentätigkeit oder einen Karrieresprung zum Ziel. Jeder vierte Mann plant eine Promotion oder Habilitation, bei den Frauen ist es fast jede fünfte. | Inside Heilberufe III / apoBank

Selbstständige möchten mehr Unabhängigkeit, Angestellte mehr Einkommen: Neben dem Einkommen stehen für Angestellte weiterhin besonders Flexibilität und Weiterbildung im Fokus. Selbstständige wünschen sich in erster Linie mehr Unabhängigkeit bei beruflichen Entscheidungen. Dokumentations- und Verwaltungsaufwand sowie staatliche Regulatorik betreffen selbstständige Heilberufler etwas stärker. Auch digitales Datenmanagement ist für Selbstständige im Vergleich zu Angestellten häufiger ein Hindernis.  | Inside Heilberufe III / apoBank

Bis es soweit ist, müssen die Studierenden jedoch erst ihr Studium bewältigen – doch das scheint in den vergangenen Jahren zunehmend frustrierend zu sein: Die Zufriedenheitswerte sind seit 2016 von 71 auf 44 Prozent zurückgegangen, 22 Prozent der Studierenden sind ausdrücklich unzufrieden. Das liegt auch an der Pandemie: 62 Prozent geben an, dass das Studieren in dieser Zeit viel schwieriger war.

FRUST WEGEN BAUSTELLEN IM GESUNDHEITSWESEN

Die Baustellen im Gesundheitswesen sind nach Ansicht der Befragten vor allem der Fachkräftemangel (67 Prozent), die Bürokratie (56 Prozent) und die Finanzierung des Gesundheitswesens (34 Prozent). Das hier wenig passiert, sorgt für Unzufriedenheit.

Für Zahnärztinnen und Zahnärzte steht mehr Einkommen mit Abstand auf Platz eins: Unabhängigkeit für die beruflichen Entscheidungen rückt 2022 nach oben auf Platz zwei auf der Wunschliste der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Apothekerinnen und Apotheker wünschen sich fast genauso häufig mehr Einkommen wie auch mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung. Auch Zahnärzte- und Apothekerschaft hätten gern in erster Linie weniger Dokumentations- und Verwaltungsarbeit. Staatliche Regulierungen scheinen den beruflichen Alltag der Apothekerinnen und Apotheker weniger zu beeinträchtigen als bei den anderen Heilberufsgruppen. | Inside Heilberufe III / apoBank

Der Fachkräftemangel ist aktuell die größte Herausforderung im Gesundheitssystem: Selbstständige und Studierende sehen im Fachkräftemangel etwas seltener eine Herausforderung als Angestellte. Bürokratie und Regulierung stellen bereits seit Jahren die Heilberuflerinnen und Heilberufler vor hohe Hürden. Ein Drittel der Befragten empfindet zudem die Finanzierung als besonders problematisch. | Inside Heilberufe III / apoBank

Insgesamt nimmt seit 2016 die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation kontinuierlich ab. Als zufriedenen bezeichnen sich aktuell 51 Prozent der Heilberufler, 2016 waren es noch 62 Prozent. Gleichzeitig blieb der Anteil derjenigen, die ausdrücklich unzufrieden sind, seit 2019 mit 15 Prozent unverändert.

Dennoch ist der Anteil an Ärzten, die ihren Beruf weiterempfehlen würden, im Vergleich zu 2019 gestiegen. Auch Zahnärzte blicken wieder optimistischer in die Zukunft: 60 Prozent würden ihren Beruf weiterempfehlen – das sind 19 Prozentpunkte mehr als noch vor drei Jahren.

Hier finden Sie die ganze Studie.

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Endokarditisprophylaxe: Entwicklungen und aktuelle Empfehlungen

Seit 2007 wurden die Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe deutlich reduziert. Die Auswirkungen dieser Deeskalation werden allerdings international nicht einheitlich bewertet. Daher lassen die deutschen Empfehlungen dem Zahnarzt/Arzt und der Zahnärztin/Ärtzin einen gewissen Rahmen für patientenindividuelle Entscheidungen.

Die Erstbeschreibung der infektiösen Endokarditis durch Sir William Osler geht bereits auf das Jahr 1885 zurück [Osler, 1885]. Die ursprünglich durchgehend letale Erkrankung bleibt auch 135 Jahre später ein sehr ernsthaftes Krankheitsbild mit einer hohen frühen, aber auch mittelfristigen Mortalität um 20 bis 30 Prozent [Jung & Duval, 2019]. In Westeuropa liegt die jährliche Inzidenz heute um 35/1.000.000 Einwohner, wobei der Altersgipfel in der siebten und in der achten Lebensdekade zu finden ist [Selton-Suty et al., 2012, Thornhill et al., 2018].

Besondere Risiken bestehen nach Herzklappenersatz, implantierten kardialen Geräten und vorausgegangener Endokarditis mit jährlichen Inzidenzraten bis über 10/1.000. Diese Risikogruppen sind in Europa mittlerweile für gut ein Drittel aller infektiösen Endokarditiden verantwortlich. Darüber hinaus sind angeborene und vor allem degenerative Klappenveränderungen im hohen Lebensalter bedeutsam. In Japan entstehen sogar zwei Drittel aller Endokarditiden auf der Grundlage vorbestehender Herzerkrankungen [Nakatani et al., 2013]. Im Gegensatz hierzu wird das Ursachenspektrum in Ländern mit niedrigem Einkommen und niedrigen medizinischen Versorgungsstandards von Herzklappenschädigungen nach rheumatischem Fieber und angeborenen Herzfehlern dominiert, so dass der Erkrankungsgipfel hier bei jungen Erwachsenen liegt. Die weltweite Mortalität lag 2013 bei 1/100.000 [GBD, 2013].

PATHOGENESE UND KLINIK DER ENDOKARDITIS

Die Pathogenese der Endokarditis beinhaltet drei wesentliche Prozesse [Cahill et al., 2017]. Am Anfang der Entwicklung steht die Bakteriämie, wobei die typischen Eintrittspforten in der Mundhöhle, dem Gastrointestinaltrakt, den Harnwegen und der Haut liegen. Hinzu kommt die Vielzahl iatrogener Maßnahmen, beginnend bei Verweilkanülen und Kathetern bis zu invasiven Maßnahmen und Operationen. Der nächste Schritt der Pathogenese ist die Adhäsion von Mikroorganismen, die insbesondere durch vorbestehende Schädigungen der endothelialen Auskleidung mit Fibrinauflagerungen und Mikrothromben begünstigt wird. Schließlich folgt die mikrobielle Kolonisierung, die zusammen mit der Auflagerung weiteren thrombotischen Materials und inflammatorischen Reaktionen zur Ausbildung von Vegetationen führt. Hierbei spielt die Bildung von Biofilmen auf implantierten Fremdmaterialien eine wichtige Rolle, da die eingebetteten Mikroorganismen durch immunologische Abwehrprozesse und auch Antibiotika weniger angreifbar sind.

Die klinische Symptomatik ist variantenreich und wird bei subakuten und chronischen Formen vor allem durch rezidivierende Fieberschübe (aber auch subfebrile Temperaturen), Nachtschweiß, Abgeschlagenheit et cetera geprägt. Bei den akuten Verläufen stehen die akute Herzinsuffizienz, Embolisierungen und die Sepsis im Vordergrund [Raiani & Klein, 2020].

Die Diagnose wird anhand der sogenannten modifizierten Duke-Kriterien [Li et al., 2000] gestellt. In diesem Instrumentarium basieren die Major-Kriterien auf bakteriologischen Nachweisen in der Blutkultur und den Ergebnissen verschiedener Bildgebungsverfahren, insbesondere der Echokardiografie. Weitere Bildgebungsverfahren wie Cardio-CT und PET-CT sind in den vergangenen Jahren hinzugetreten. Unter den Minor-Kriterien finden sich neben den klassischen kardialen Risiko-Prädispositionen Fieber, vaskuläre und immunologische Phänomene sowie serologische Infektionsnachweise.

Die wesentlichen Säulen der Therapie sind die langzeitige (vier bis sechs Wochen!) hochdosierte intravenös-antibiotische Behandlung und bei schweren Verlaufsformen chirurgische Maßnahmen zur Ausräumung thrombotischen Materials, zur Entfernung von Fremdmaterialien und zur Wiederherstellung der Klappenfunktionen. Trotz aller therapeutischen Entwicklungen hat sich die Prognose der akuten Endokarditis in den letzten 20 Jahren nicht wesentlich verbessert. Die Mortalität in der frühen Behandlungsphase liegt heute noch bei rund 20 bis 30 Prozent [Raiani & Klein, 2020; Cahill & Prendergast, 2016].

MIKROBIOLOGIE DER ENDOKARDITIS

Zwischen 80 und 90 Prozent aller infektiösen Endokarditiden werden durch grampositive Kokken verursacht, wobei Staphylokokken (heute führend) und Streptokokken jeweils um 35 Prozent und Enterokokken zu gut zehn Prozent nachgewiesen werden können. Die HACEK-Gruppe (Hämophilus, Aggregatibacter, Cardiobacterium, Eikenella, Kingella) machen weitere rund drei Prozent aus, gefolgt von Candida-Spezies und vielen anderen seltenen Erregern [Cahill & Prendergast, 2016]. Das Keimspektrum spiegelt die typischen Eintrittspforten der Infektionen (kutan, oral/oropharyngeal und enterogen).

KONZEPT DER ANTIBIOTISCHEN PROPHYLAXE

Das Konzept der antibiotischen Endokarditisprophylaxe basiert letztlich auf der Annahme, dass die Gabe eines Antibiotikums zum Zeitpunkt einer Prozedur, die mit einer Keimeinschwemmung verbunden ist, die Bakteriämie vermindern kann und damit die Wahrscheinlichkeit einer Endokarditis verringert wird [Dayer & Thornhill, 2018]. Nachdem aufgrund der Seltenheit der Endokarditis ein methodisch stringenter Nachweis in Form einer prospektiv randomisierten Interventionsstudie bereits durch die erforderlichen (fünf- bis sechsstelligen) Probandenzahlen nicht praktikabel ist und auch aus ethischen Gründen schwer zu realisieren wäre, wurden Empfehlungen, beispielsweise in Leitlinien, über die Erkenntnisse aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Betrachtungen abgeleitet. Wesentliche Ansätze hierbei waren:

  • tierexperimentelle Untersuchungen, in denen Endokarditiden induziert und mittels Antibiotikaprophylaxe verhindert wurden [Durack & Petersdorf, 1973];
  • Untersuchungen zur Häufigkeit und Intensität von Bakteriämien nach invasiven dentalen (und anderen) Prozeduren und die Verminderung/Vermeidung einer Bakteriämie unter Antibiotikaprophylaxe [Poveda-Roda et al., 2008; Lockhart et al., 2008; Lafaurie et al., 2019];
  • Fallkontrollstudien zur Häufigkeit von Endokarditiden mit beziehungsweise ohne antibiotische Prophylaxe [Horstkotte et al., 1986];
  • Registerstudien zur Häufigkeit bakterieller Endokarditiden mit beziehungsweise ohne antibiotische Prophylaxe bei Risikopopulationen [Tubiana et al., 2017];
  • Registerstudien zur Häufigkeit bakterieller Endokarditiden vor und nach Änderungen bei Leitlinien [DeSimone et al., 2012; DeSimone et al., 2012a; Dayer et al., 2015; Thornhill et al., 2018; Garg et al., 2019; Quan et al., 2020].

ENTWICKLUNGEN BEI DER ENDOKARDITISPROPHYLAXE

Die Mundhöhle als Eintrittspforte von Keimen wurde erstmals 1909 postuliert [Horder, 1909; Cahill et al., 2017] und bereits 1923 wurde ein ursächlicher Zusammenhang zwischen invasiven Zahnbehandlungen und Endokarditis vermutet [Dayer & Thornhill, 2018; Cahill et al., 2017; Lewis & Grant, 1923]. Wenige Jahre später wurde die Bakteriämie von Streptokokken mittels Blutkulturen nach Zahnbehandlungen nachgewiesen [Dayer & Thornhill, 2018; Okell & Elliot, 1935]. Eine antibiotische Prophylaxe wurde erstmalig 1941 eingesetzt und bereits 1955 folgte 
die erste grundlegende Empfehlung zur Endokarditisprophylaxe durch die American Heart Association (AHA) [Jones et al., 1955; Wilson et al., 2007], der mittlerweile neun Aktualisierungen folgten. Die Endokarditisprophylaxe stellte damit über Jahrzehnte den Prototyp der antibiotischen Prophylaxe in der Zahnheilkunde (und in der gesamten Chirurgie) dar und war als grundlegendes, regelrecht dogmatisches Konzept über lange Zeit „nicht hinterfragbar“.

Den Höhepunkt der antibiotischen „Intensität“ erreichte die Entwicklung im Zeitraum von 1957 bis 1960 mit mehrfachen parenteralen (bis zu 21) Medikamenten-Dosen über fünf Tage bei vielen Indikationen, auch bei moderaten und geringen Risiken. Danach wurden die Empfehlungen schrittweise deeskaliert bis zur aktuellen singulären präoperativen Gabe auch bei höchsten Risiken oder sogar dem gänzlichen Verzicht.

ZWEIFEL AN DEN PATHOGENETISCHEN ZUSAMMENHÄNGEN

Die Relevanz der antibiotischen Endokarditisprophylaxe in der Zahnheilkunde wurde etwa ab der Jahrtausendwende verstärkt infrage gestellt, nachdem wiederholt gezeigt werden konnte, dass nicht nur invasive Zahnbehandlungen, sondern auch Maßnahmen der Mundhygiene [Poveda-Roda et al., 2008; Lockhart et al. 2008; Zhang et al., 2013] und sogar das Kauen bei stark parodontal erkrankter Dentition zu einer Bakteriämie führen. Vor diesem Hintergrund einer kontinuierlichen Keimeinschleppung im täglichen Leben erschien es wenig plausibel, dass ein vergleichsweise seltenes Ereignis wie eine Zahnentfernung oder eine invasive Parodontalbehandlung zu einem relevanten Anteil an der Entstehung von Endokarditiden beitragen könne. Darüber hinaus wurde auch immer wieder das Schreckgespenst der Antibiotika-assoziierten Komplikationen, insbesondere der potenziell letalen Anaphylaxie beschworen [Farbod et al., 2007; Hafner et al., 2020]. Mitunter wurde postuliert, dass das Risiko des Versterbens an einer Amoxicillin-bedingten Anaphylaxie, verursacht durch die Prophylaxe, um ein Mehrfaches über dem Risiko der Endokarditis liegen würde [Ashrafian & Bogle, 2007].

Andererseits ließ sich ein Zusammenhang zwischen Zahnbehandlungen und dem Auftreten von Endokarditiden aber auch nicht abstreiten und war aus zahlreichen Fallkontrollstudien plausibel abzuleiten. Ein nach Gesichtspunkten der evidenzbasierten Medizin methodisch stringenter Nachweis in der Form einer prospektiv randomisierten Interventionsstudie lässt sich, wie bereits eingangs erwähnt, aus biometrischen und auch aus ethischen Gründen kaum realisieren und würde mit Wahrscheinlichkeit auch an der fehlenden Akzeptanz scheitern.

DIE ZEITENWENDE 2007/2008: NEUE EMPFEHLUNGEN

Mit der letzten Revision der Endokarditisprophylaxe-Empfehlungen der American Heart Association [Wilson et al., 2007] und der konzeptionell in großen Teilen inhaltsgleichen Adaptierung in vielen kontinentaleuropäischen Ländern [Habib et al., 2009] wurde die Endokarditisprophylaxe in diesen Ländern auf die Gruppe der Patienten mit hohem Endokarditisrisiko begrenzt.

Eine noch wesentlich radikalere Abkehr von der bisherigen Praxis setzte das staatliche Gesundheitssystem (NHS) Großbritanniens auf der Basis einer Empfehlung des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) um. Unabhängig von der Risikoeinstufung wurde hier die Endokarditisprophylaxe im Zusammenhang mit zahnärztlichen Maßnahmen ab dem zweiten Quartal 2008 generell und später, ab 2016, in modifizierter Form „als Routinemaßnahme“ ausgesetzt. Einen weiteren Sonderweg beschreitet Japan seit dem Jahr 2017. Hier wird die Endokarditisprophylaxe bei hohen und moderaten Risiken empfohlen.

DIE „POSTMODERNE“: ZU DEN FOLGEN DER US-EMPFEHLUNGEN

Bereits nach wenigen Jahren wurden aus den USA Daten über die Folgen der geänderten Prophylaxestrategien publiziert, die auch im weiteren Verlauf reevaluiert und bestätigt wurden [DeSimone et al., 2012, 2015]. Danach hatte in den USA die Zahl der Endokarditisfälle, trotz einer deutlichen Reduktion der Indikationen zu einer antibiotischen Prophylaxe gemäß der Leitlinienänderung von 2007, nicht zugenommen. Methodisch wurde die Häufigkeit von Endokarditisfällen vor und nach der Publikation der AHA-Leitlinie durch die Arbeitsgruppe De Simone et al. anhand zweier unabhängiger Szenarien betrachtet. Zum einen wurden die Erkrankungsfälle aus einer geschlossenen Kohorte, dem sogenannten Rochester Epidemiology Project of Olmsted County, verfolgt. Hier handelt es sich um eine geografisch weitgehend isolierte Population, deren medizinische Daten im Rahmen des oben genannten Projekts longitudinal erfasst werden. Weitere Analysen verwendeten die Diagnosen der Nationwide Inpatient Sample Hospital Discharge Database. Hierbei handelt es sich um eine fortlaufende Erhebung von Patientendaten im Rahmen des sogenannten Healthcare Cost and Utilization Project (HCUP), die mit rund acht Millionen Datensätzen pro Jahr etwa 20 Prozent des gesamten stationären Behandlungsaufkommens der USA umfasst und als weitgehend repräsentativ für die Gesamtheit der stationären Patientenversorgung in den USA gilt.

Sowohl in der Analyse von 2012 als auch in der Reevaluation von 2015 ergaben sich in diesen Szenarien keine Zunahmen in der Häufigkeit bakterieller Endokarditisfälle nach der Änderung der Prophylaxe-Empfehlungen. In der Datenerhebung des Rochester Epidemiology Project of Olmsted County lag die Erkrankungshäufigkeit an bakteriellen Endokarditiden von 2007 bis zuletzt 2013 niedriger als in den Zeiträumen vor der Änderung. Auch die Analysen der Daten der Nationwide Inpatient Sample Hospital Discharge Database gaben keine Hinweise auf eine Häufung von Endokarditisfällen nach der Deeskalation der Endokarditisprophylaxe, sondern im Gegenteil in der Langzeitbetrachtung tatsächlich sogar eine Reduktion der Endokarditis-Fallzahlen von 2003 bis 2011. Insofern hatten sich die in der Leitlinie 2007 formulierten Grundsätze in der praktischen Anwendung zunächst einmal bewährt.

Dennoch gab es auch kritische Bewertungen der Entwicklung in den USA, da sich der abnehmende Trend in der Inzidenz von Endokarditiden, der sich von 2003 bis 2007 und damit vor der Deeskalation der Endokarditisprophylaxe deutlich erkennen ließ, in der Folgezeit nach 2008 nur noch abgeschwächt fortgesetzt hat [Thornhill et al., 2018]. Allerdings ließ sich diese Trendwende nicht in der Gruppe der Patienten mit niedrigem Risiko erkennen. Da sich in dieser Gruppe die Leitlinienänderungen zur Prophylaxe am ehesten ausgewirkt hätten, stellen die Daten nach Meinung der Autoren die Grundsätze der aktualisierten Leitlinie nicht infrage.

Kanada

Im Gegensatz zu den USA ließ sich in Kanada über knapp eineinhalb Jahrzehnte eine deutliche Zunahme der Endokarditisinzidenz nachweisen, wobei Change-Point-Analysen den Wendepunkt der Entwicklung für das Jahr 2010 erkennen ließen [Garg et al., 2019]. Aus diesem „späten“ Wendepunkt (drei Jahre nach der Neuauflage der AHA-Leitlinie) und der Tatsache, dass der Anstieg vor allem die Hochrisikopopulation betrifft, deren Prophylaxe-Indikationen durch die Leitlinienänderungen gerade nicht betroffen waren, leiteten Garg et al. ab, dass der Anstieg der Endokarditishäufigkeiten nicht durch die Änderung der Leitlinienempfehlungen erklärt werden kann. Kritiker wenden allerdings ein, dass der über die Jahre gleichbleibende Anteil an Streptokokken-Endokarditiden und damit ein relevanter Anteil der Zunahme durchaus auf die Reduktion der Prophylaxe zurückgeführt werden kann. Tatsächlich müsste nämlich der Anteil dieser am ehesten oralen/odontogenen Keimflora zurückgehen, wenn andere Endokarditisursachen in den Vordergrund treten [Peterson & Crowley, 2019]. Auch der verspätete Anstieg spricht nicht unbedingt gegen einen Einfluss der Leitlinienänderung, da sich die Auswirkungen auf die Endokarditisrate, sowohl primär durch die Dauer der Implementierung als auch sekundär durch die Vergrößerung der Zahl von Hochrisikopatienten nach einem Erstereignis, erst mit Verzögerungen manifestieren. Darüber hinaus entsteht mit der Beschränkung der Prophylaxe-Indikation auf eine besondere Risikogruppe naturgemäß auch die Gefahr einer fehlerhaften Zuordnung von Patienten. Wird beispielsweise ein Patient mit einem hohen Endokarditisrisiko fehlerhaft der Gruppe mit niedrigem oder moderatem Risiko zugeordnet, erhält er nach der aktuellen Leitlinie keine Antibiotikaprophylaxe mehr. Damit würde sich ein solcher Zuordnungsfehler tatsächlich auswirken können. In der früheren Version der Leitlinie hätte ein solcher Fehler die Medikation nicht verändert, das heißt die frühere Leitlinienversion war „robuster“ gegen Fehler in der Klassifikation.

Großbritannien

In Großbritannien ist es seit dem vollständigen Verzicht auf eine routinemäßige Endokarditisprophylaxe zu einem deutlichen und hoch signifikanten Anstieg der Endokarditishäufigkeit gekommen; konkret hat die Inzidenz von 44,5/1.000.000 im Jahr 2007 auf 67,7/1.000.000 im Jahr 2017 und die Gesamtfallzahl von 2.268 (in 2007) auf zuletzt 3.746 (in 2017) zugenommen. Auch in Großbritannien blieb dabei der Anteil der Streptokokken-Endokarditiden über die Jahre gleich.

Während Dayer et al. bereits 2015 einen Wendepunkt der Entwicklung kurz nach der Entscheidung gegen die Endokarditisprophylaxe identifiziert hatten [Dayer et al., 2015], sehen Quan et al. im Jahr 2020 keinen singulären Wendepunkt, sondern eine Folge von Wendepunkten, teilweise vor und teilweise nach der Richtungsentscheidung [Quan et al., 2020]. Da die Bestimmungen der Wendepunkte in hohem Maße von den gewählten statistischen Modellparametern abhängig ist, ist es sehr schwierig zu bewerten, welche Aussage der Realität näher kommt, zumal in der Frage der Endokarditisprophylaxe mittlerweile exemplarisch die Glaubwürdigkeit des NICE auf dem Prüfstand steht und die ursprünglich wissenschaftliche Diskussion damit im Laufe der Zeit auch eine politische Dimension angenommen hat.

Tatsächlich veränderte das NICE seine eindeutige Position gegen eine zahnärztliche Endokarditisprophylaxe im Sommer 2016. Aus der Formulierung „Antibiotic prophylaxis against infective endocarditis is not recommended for people undergoing dental procedures“ wurde „Antibiotic prophylaxis against infective endocarditis is not recommended routinely for people undergoing dental procedures”. Diese Änderung entstand im zeitlichen Zusammenhang mit einer durch einen englischen Parlamentsabgeordneten unterstützten Petition von Angehörigen, deren Ehepartner durch Endokarditiden verstorben waren [Thornhill et al., 2016].

ZU GEFAHREN DURCH DIE ENDOKARDITISPROPHYLAXE

Ein wesentlicher Anlass, den Nutzen der Endokarditisprophylaxe zu hinterfragen, war traditionell die Furcht vor schweren Nebenwirkungen der eingesetzten Antibiotika, insbesondere die Erwartung einer hohen Rate schwerer anaphylaktischer Reaktionen auf Amoxicillin mit potenziell tödlichem Ausgang [Wilson et al., 2007; Naber et al., 2007]. Diese Bedenken schienen vor dem Hintergrund vermeintlich hoher Allergieraten um fünf bis zehn Prozent in vielen westlichen Industrieländern sehr plausibel und wurden auch bei anderen prophylaktischen Antibiotikaindikationen immer wieder mit Vehemenz vorgetragen.

Tatsächlich hat sich allerdings über nunmehr gut zwei Jahrzehnte bestätigt, dass die weitaus überwiegende Zahl vermeintlicher Penicillinallergien Fehldiagnosen darstellen, die durch primär fehlerhafte Zuordnung von Symptomen entstanden sind und in der Folgezeit nie ausgeräumt wurden. Mitunter werden solche vermeintlichen Allergiediagnosen mit der laienhaften Erwartung verbunden, anstelle des „alten“ Penicillins ein besseres, „modernes“ Antibiotikum zu erhalten. Die Bedeutung des „Besitzstands“ einer Penicillinallergie auch nach deren definitivem Ausschluss mittels kontrollierten Provokationsversuchen wurde beispielsweise daran deutlich, dass 70 Prozent der Probanden mit dem Wegfall der Allergiediagnose unzufrieden waren [Savic et al., 2019]. In anderen Studien zeigte sich eine Tendenz, widerlegte Penicillinallergie-Diagnosen wieder in die Krankengeschichte aufzunehmen [Rimavi et al., 2013].

Zur Bewertung von Risiken durch die Antibiotikaanwendungen im Zuge der Endokarditisprophylaxe hatten Thornhill und Dayer [Thornhill et al., 2015] die Daten des britischen National Health Service (NHS) hinsichtlich der unerwünschten Wirkungen und Komplikationen der antibiotischen Endokarditisprophylaxe ausgewertet. Nachdem es im NHS spezielle Verschreibungsformen für Amoxicillin beziehungsweise Clindamycin in Prophylaxe-Indikationen gibt, ließen sich prophylaxespezifische Komplikationen für Amoxicillin von 1980 bis 2014, das heißt über 34 Jahre und für Clindamycin bereits von 1969 bis 2014, das heißt über 45 Jahre auswerten [Thornhill et al., 2015]. Bei 2.961.900 Verschreibungen von Amoxicillin ist über 34 Jahre keine letale Komplikation nach Endokarditisprophylaxe beobachtet worden. Für Clindamycin ergaben sich über 45 Jahre bei 1.193.502 Verschreibungen 15 letale Komplikationen. Die Mehrzahl (13 von 15) dieser Todesfälle entstanden durch die für Clindamycin „typischen“ Clostridium-difficile-assoziierten gastrointestinalen Komplikationen. Für Frankreich wurden über einen Zeitraum von 31 Jahren weder für Amoxicillin noch für Clindamycin letale Komplikationen nach Endokarditisprophylaxe beobachtet [Cloitre et al., 2019]. Insofern ist davon auszugehen, dass die Gefahr letaler anaphylaktischer Reaktionen auf Amoxicillin im Rahmen der Endokarditisprophylaxe deutlich überschätzt wurde und für die Indikationsstellung keine Bedeutung haben sollte.

AKTUELLE EMPFEHLUNGEN IN DEUTSCHLAND

In einer Vielzahl von Ländern wurden die Empfehlungen der AHA-Leitlinienrevision weitgehend inhaltsgleich umgesetzt oder in lokale Leitlinienempfehlungen übernommen. Beispiele sind die Adaptation der European Society of Cardiology [Habib et al., 2009] oder auch die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie [Naber et al., 2007]. Im Kern wurden die Indikationen zur Endokarditisprophylaxe auf die Patientengruppe mit hohem Risiko begrenzt (Tabelle 1) und gleichzeitig die Durchführung generell auf eine einmalige präoperative Gabe eines oralen Antibiotikums reduziert. Über diese Patientengruppe hinaus sieht die deutsche Adaptation der Leitlinie eine Indikation auch bei denjenigen Patienten, die gemäß der bisherigen Leitlinienempfehlung eine Prophylaxe erhalten hatten und diese Prophylaxe nach Absprache mit ihrem Arzt fortführen möchten.

Tab. 1 | Quelle: Kunkel, 2021

Tab. 2a | Quelle: Kunkel, 2021

Tab. 2b| Quelle: Kunkel, 2021

Grundsätzlich wird eine Endokarditisprophylaxe bei allen Maßnahmen, die zu einer Bakteriämie führen können, empfohlen. Konkret sind das sämtliche invasive Maßnahmen und solche, die mit Manipulationen an der Gingiva, der periapikalen Zahnregion oder mit Perforationen der oralen Mukosa einhergehen [Hafner et al., 2020; Naber et al., 2007].

Antibiotikum der ersten Wahl bleibt seit dem Jahr 1990 Amoxicillin, wobei als orale Dosierung eine Einzeldosis von 2 g (bei Kindern 50 mg/kg) 30 bis 60 Minuten vor dem Eingriff beziehungsweise vor der Behandlungsmaßnahme, die eine Bakteriämie verursachen kann, empfohlen wird. Clindamycin in einer Dosierung von 600 mg (bei Kindern 20 mg/kg) wird nur für den Fall einer Penicillinallergie empfohlen. Alternativen zum Clindamycin stellen Cephalexin 2 g (bei Kindern 50 mg/kg) und Clarithromycin 500 mg (bei Kindern 15 mg/kg) dar.

Sofern eine orale Einnahme nicht möglich ist, stellt Ampicillin 2 g i. v. (bei Kindern 50 mg/kg) das Medikament der ersten Wahl dar; als Alternative kommen in dieser Situation Cefazolin oder Ceftriaxon 1 g i. v. (bei Kindern 50 mg/kg) infrage. Im Fall einer Penicillinallergie stehen zur parenteralen Applikation Clindamycin 600 mg (bei Kindern 20 mg/kg), Cefazolin oder Ceftriaxon 1 g i. v. (bei Kindern 50 mg/kg) zur Verfügung. Cephalosporine sollten allerdings generell nicht gegeben werden, wenn zuvor bereits einmal eine Anaphylaxie, ein Angioödem oder Urtikaria nach Penicillingabe/Ampicillingabe beobachtet wurde.

ZUM WISSENSCHAFTLICHEN DISKURS

Trotz der zahlreichen Analysen aus der Versorgungssituation vor und nach 2007 zeichnet sich weiterhin keine einheitliche Bewertung zur Notwendigkeit der Endokarditisprophylaxe ab. Auch die Kontroverse, ob die grundlegenden Änderungen der Jahre 2007/2008 Auswirkungen hatten oder nicht [van den Brink et al., 2019; Charitos & Sinning, 2019], bleibt – trotz gravierender Unterschiede in der Entwicklung verschiedener Länder – ungelöst. Obwohl in den USA die Zahl der Neuerkrankungen auch nach 2007 weiter sinkt, ergeben sich dort bereits Unsicherheiten aus der Erkenntnis, dass sich der Rückgang verlangsamt hat. Die diametral entgegengesetzte Entwicklung in Großbritannien mit einer erheblichen Zunahme der Neuerkrankungen um rund 60 Prozent seit 2008 wird andererseits durch die Vertreter des NICE nicht als Hinweis auf eine Unterbehandlung durch den Wegfall der Endokarditisprophylaxe gewertet, sondern als Ausdruck einer insgesamt erhöhten Suszeptibilität für Endokarditiden in der alternden Bevölkerung mit kardiovaskulären Risiken angesehen.

Auch wenn die Gefahr schwerer und insbesondere letaler individueller Komplikationen der Endokarditisprophylaxe nach den oben genannten Analysen sicher nicht mehr relevant ist, bleibt naturgemäß bei jeder prophylaktischen Antibiotikaindikation die Frage nach den eventuellen Auswirkungen auf die Resistenzentwicklung in der Gesamtheit einer Population. Hier hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass entgegen früherer Annahmen auch bereits die einmalige Gabe eines Antibiotikums zu genetischen Veränderungen im Mikrobiom des Darmes führen kann [Zaura & Brandt, 2015]. Andererseits muss hinterfragt werden, ob die Endokarditisprophylaxe mit einem extrem kleinen, im Promillebereich gelegenen Anteil an allen humanen Antibiotika-Anwendungen allein schon aufgrund der Seltenheit einen relevanten Einfluss auf die globale Resistenzentwicklung nehmen kann.

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Quelle: https://www.zm-online.de/archiv/2022/10/zahnmedizin/endokarditisprophylaxe-entwicklungen-und-aktuelle-empfehlungen/

Antibiotikaresistenzen – die stille Pandemie

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie sind knapp zweieinhalb Jahre vergangen. In dieser Zeit haben sich in nahezu allen Lebensbereichen tiefgreifende Veränderungen ergeben. Im Gesundheitssektor konzentrierte sich vieles auf SARS-CoV-2, andere Themen rückten in den Hintergrund. Kaum präsent war daher eine andere, dennoch im Stillen voranschreitende Pandemie: die zunehmende Verbreitung multiresistenter Erreger.

Vor drei Jahren veröffentlichte die WHO eine Liste der zehn größten globalen Gesundheitsbedrohungen. Darin vertreten: antimikrobielle Resistenzen beziehungsweise multiresistente Erreger (MRE) [WHO, 2019]. Allein 2019 waren MRE für weltweit 1,27 Millionen Todesfälle direkt verantwortlich und mit weiteren 3,68 Millionen zumindest assoziiert [Murray et al., 2022]. Das Problem betrifft dabei nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch sogenannte High-Income-Länder (Hochlohnländer) wie Deutschland. In diesen verursachen MRE circa 11,3 Todesfälle pro 100.000 Einwohner, je ein Viertel davon gehen allein auf das Konto von Staphylococcus aureus und Escherichia coli [Murray et al., 2022].

Als MRE bezeichnet man meist bakterielle Mikroorganismen, gegen die viele gängige Antibiotika nicht (mehr) ausreichend wirksam sind. Im grampositiven Spektrum sind als wichtigste Vertreter der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und Vancomycin-resistente Enterococcus faecalis und faecium (VRE) hervorzuheben.

Multiresistente gramnegative Bakterien werden speziesübergreifend als 3- oder 4-MRGN (MultiResistente GramNegative) bezeichnet. Sie sind gegen drei beziehungsweise vier der klinisch relevanten Antibiotikagruppen – Peniclline, Cephalosporine, Fluorchinolone und/oder Carbapeneme – resistent. Wichtige Vertreter sind unter anderem Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii.

Eine Mitte 2021 veröffentlichte Auswertung der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) [Meinen et al., 2021] in Verbindung mit dem Arzneiverordnungsreport 2020 [Schwabe, 2020] zeigt die aktuelle Situation bei odontogenen Infektionen in Deutschland: Auch wenn diese Infektionen häufig polymikrobiell sind, die am häufigsten isolierten Erreger sind Streptococcus spp. (33 bis 36 Prozent) und Staphylococcus spp. (12 bis 21 Prozent), gefolgt von Prevotella spp. (6 bis 8 Prozent) und Klebsiella spp. (5 Prozent). Das im niedergelassenen zahnmedizinischen Bereich mit Abstand am häufigsten eingesetzte Antibiotikum ist Amoxicillin (47,9 Prozent), gefolgt von Clindamycin (22,7 Prozent).

Amoxicillin-Resistenzen bei Streptokokken sind in Praxis-Isolaten relativ selten (1,4 Prozent), allerdings deutlich häufiger bei Klinik-Isolaten (6,9 Prozent) nachweisbar. Gegen Clindamycin sind sogar 18 Prozent beziehungsweise 19,4 Prozent der Streptokokken resistent. Noch problematischer ist die Resistenzsituation bei Staphylococcus aureus (9 bis 12 Prozent aller Isolate), dieser ist häufig gegen Amoxicillin (65 Prozent), Clindamycin (17 Prozent) und Makrolide (17 Prozent) resistent, was die Therapieoptionen zunehmend limitiert. Bei Klebsiella pneumoniae sind besonders kritische Carbapenem-Resistenzen in den untersuchten Isolaten glücklicherweise eine Seltenheit (0 Prozent in Praxen, 0,13 Prozent in Kliniken).

Nichtsdestotrotz geben insbesondere die hohen Resistenzraten gegen Clindamycin Anlass zur Sorge. Eines der Hauptprobleme ist der teilweise unreflektierte Einsatz von Antibiotika, sei es in der Human- und Zahnmedizin oder in der Veterinärmedizin.

* DDD = definierte Tagesdosis (defined daily dose)
Tab. | Quelle: zm nach: Der GKV-Arzneimittelmarkt: Klassifikation, Methodik und Ergebnisse 2021, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)

Ein klassisches Beispiel sind Antibiotika bei viralen Atemwegserkrankungen. Seit Jahren korreliert die Menge verschriebener Antibiotikadosen mit der Häufigkeit grippaler Infekte, obwohl diese hierbei nicht indiziert sind [Yaacoub et al., 2021]. Auch in der Zahnmedizin werden allzu oft Antibiotika dort verschrieben, wo sie nicht benötigt werden. Viele odontogene Infektionen werden primär chirurgisch-interventionell behandelt und bedürfen nur bei Ausbreitungstendenz oder Risikofaktoren einer antibiotischen Therapie [Al-Nawas und Karbach, 2017]. Sogar über die Hälfte aller Antibiotikaverschreibungen sollen ohne entsprechende Indikation erfolgen [Cope et al., 2016; Patrick und Kandiah, 2018; Teoh et al., 2019; Suda et al., 2019; Hubbard et al., 2022].

Die falsche Anwendung von Antibiotika ist aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen werden Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen, gastrointestinale Beschwerden und Clostridioides-difficile-Infektionen unnötig in Kauf genommen [Shehab et al., 2008; Hansen et al., 2019]. Zum anderen steigt der Selektionsdruck auf die Bakterien, was bereits auf Ebene des einzelnen Patienten zu einer Zunahme von MRE führt [Costelloe et al., 2010].

In der Corona-Pandemie stieg der ohnehin schon hohe Antibiotikaverbrauch sogar noch weiter an [Shah et al., 2020]. Derzeit entfallen knapp 13 Prozent des gesamten Antibiotikaverbrauchs im GKV-Bereich allein auf die Zahnmedizin (Tabelle) [WIdO, 2021]. Das unterstreicht die Wichtigkeit, die dieser im Kampf gegen die MRE-Pandemie zukommt. Gerade jetzt sind Antibiotic-Stewardship-Programme wichtiger denn je, dadurch können der Antibiotikaverbrauch gesenkt und die Zielgenauigkeit der Antibiotikaanwendungen deutlich gesteigert werden [Gross et al., 2019; Milani et al., 2019; Teoh et al., 2021]. So können uns auch in Zukunft Antibiotika als wirksames Therapieinstrument erhalten bleiben.

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Quelle: https://www.zm-online.de/archiv/2022/10/zahnmedizin/antibiotikaresistenzen-die-stille-pandemie