Salat gegen Parodontitis

Ernährungslenkung könnte den Verlauf parodontaler Erkrankungen positiv beeinflussen. Bereits 100 Gramm Rucola am Tag machen einen Unterschied. Der Salatsaft wirkt so gut wie Chlorhexidin – nebenwirkungsfrei.

Fehlernährung begünstigt nicht nur die Entstehung systemischer Erkrankungen, wie beispielsweise Diabetes, sondern kann auch Einfluss auf parodontale Erkrankungen haben. Trotzdem ist Ernährungslenkung in der systematischen Parodontitis-Therapie bislang noch kein großes Thema. In der aktuellen S3-Leitlinie heißt es dazu: „unklare Evidenz, keine Empfehlung“.

Prof. Ulrich Schlagenhauf, Würzburg, hielt auf dem Zahnärztetag Mecklenburg-Vorpommern einen spannenden Vortrag zum Thema. Darin gab er einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft – insbesondere Omega-6-Fettsäuren, Nitrate und Probiotika nahm er genauer unter die Lupe.

OMEGA-6-FETTSÄUREN SIND BESONDERS ENTZÜNDUNGSFÖRDERND

Zu den besonders entzündungsauslösenden Nahrungsmitteln gehören laut Schlagenhauf die Omega-6-Fettsäuren, die in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind. Durchschnittlich isst ein US-Amerikaner rund 30 Gramm davon am Tag, berichtete Schlagenauf – laut WHO Empfehlung wären zwei Gramm am Tag gesund.

Omega-6 gehören zu den essentiellen Fettsäuren, das heißt, unser Körper kann sie nicht selbst herstellen, er muss sie aufnehmen. Omega-6 Fettsäuren sind das Ausgangsmaterial für Eicosanoide: Botenstoffe, die Entzündungen in unserem Körper modellieren. Diejenigen, die aus Omega-6 Fettsäuren entstehen, sind dabei besonders entzündungsfördernd, so Schlagenhauf.

Das zentrale Problem ist aber ihmzufolge der oxidative Stress, ausgelöst durch Omega-6 Fettsäuren, der die Mitochondrienfunktion stört. Dadurch werden aus den Mitochondrien Sauerstoffradikale freigesetzt, die sich in der Zelle ausbreiten und der daraus entstehende Zellschaden ruft die Entzündungszellen auf den Plan. Die systemische Entzündung führt zu einer bakteriellen Dysbiose im Darm und Mundraum – was folglich eine Parodontitis begünstigt.

STEINZEIT-DIÄT VERRINGERTE BOP

Welche herausragende Wirkung eine Ernährungsumstellung haben kann, zeigte Schlagenhauf exemplarisch anhand einer Studie, in der sich die Probanden vier Wochen lang einer Steinzeit-Diät unterzogen. Sie nahmen in diesem Zeitraum weder prozessierte Lebensmittel oder Zucker zu sich, noch putzten sich die Zähne.

Mit dem Ergebnis, dass der gingivale Blutungsindex (bleeding on probing, BOP) trotz vermehrtem Zahnbelags (Plaqueindex) deutlich geringer war als zu Beginn der Studie. Auch die Dysbiose (Parodontitis-assoziierte Keime) löste sich nach vier Wochen Steinzeit-Diät ohne jegliche weitere Intervention auf.

NITRATREICHES GEMÜSE WIRKT ANTIBAKTERIELL

Schlagenhauf stellte eine weitere Studie vor, in der die Wirkung von nitratreichem Gemüse auf das Parododont bei chronischer Gingivitis getestet wurde. Zu nitratreichem Gemüse zählt unter anderem Blattgemüse wie Rucola oder Kopfsalat, Kohlgemüse oder Wurzelgemüse wie Rote Bete oder Rettich. Nitrat wird über nitrathaltige Lebensmittel ins Blut aufgenommen und in kürzester Zeit in vielfach höherer Konzentration im Speichel angereichert, da die Zunge Heimat für nitratreduzierende Bakterien ist, die das Nitrat zu Nitrit zerlegen. Nitrit ist sehr stark antibakteriell.

SALATSAFT WIRKT GENAUSO GUT WIE CHLORHEXIDIN

Ein nitritreicher Speichel hat eine antibakterielle Wirkung, die einer Chlorhexamedspülung gleichzusetzen ist – zu diesem Ergebnis kam eine Studie, in der zwei Patientengruppen mit chronischer Gingivitis entweder dreimal täglich nitritreicher Salatsaft oder ein Placebo über einen Zeitraum von zwei Wochen verabreicht wurden. Der Nitratgehalt des Safts entsprach dem von rund 100 Gramm Rucola.

Der Gingiva-Index der Salat-Saft-Gruppe verbesserte sich dadurch um rund 0,3 – konnte also halbiert werden. Dies entspricht den Ergebnissen einer Studie, in der die Probanden, die an chronischer Gingivitis litten, über Wochen mit Chlorhexidin spülten. Die Gingivitisreduktion durch den nitritreichen Salatsaft ist demnach genauso groß wie durch das Spülen mit Chlorhexidin – allerdings nebenwirkungsfrei.

PROBIOTIKA WIRKEN POSITIV AUF DAS PARODONT

Zuletzt thematisierte Schlagenhauf das Prinzip der Probiotika: Fehlende Keime sollen mit der Nahrung aufgenommen und so ersetzt werden. Probiotika sind Bakterien, die die Passage durch den sauren Magen lebend überstehen und eine gesundheitsförderliche Wirkung zeigen. Diese können zum Beispiel spezienspezifisch Konkurrenten (Bakterien) am Wachstum hindern. Auch hier verdeutlichte Schlagenhauf mit einer Studie, dass Probiotika die parodontale Gesundheit unterstützen könnten.

In der Studie wurde Marine-Soldaten entweder eine Lactobacillus reuteri- Lutschtablette oder ein Placebo täglich über den Zeitraum von sechs Wochen verabreicht. Die Soldaten bekamen weder Mundhygieneinstruktionen noch weitere Interventionen während dieser Zeit. Es zeigte sich, dass der BOP in der Probiotka-Gruppe deutlich sank.

Schlagenhauf resümiert, dass für ihn einer der Königswege einer ursachenorientierten parodontalen Therapie darin besteht, Ernährungsfehler zu identifizieren und zu korrigieren. Dies hätte nicht nur positive Effekte für den Mundraum und das Parodont, sondern auch auf systemischer Ebene.

Karies bei Kindern ist familienabhängig

Kann aus der Kariesaktivität eines Kindes auf das Kariesrisiko der Geschwisterkinder geschlossen werden? Diese Frage untersuchten Baseler Forscher in einer aktuellen Studie.

Im Kanton Basel-Stadt werden für Schulkinder jährlich verpflichtende zahnärztliche Untersuchungen durchgeführt. Für die vorliegende Studie wurden Daten von insgesamt 13.596 Schülern aus dem Schuljahr 2017/2018 ausgewertet.

In die Studie eingeschlossen wurden 6.738 Geschwister aus 3.089 Familien. Die Altersspanne der Schüler reichte von 3,9 bis 17,9 Jahren, mit einem Verhältnis von Jungen (n = 3.466; 51,4 Prozent) zu Mädchen (n = 3.272; 48,6 Prozent) von 1,06. Die jüngeren Jahrgänge entstammen den der Schule vorgeschalteten Kindertagesstätten.

JEDES ZWEITE KIND HATTE EIN KARIESFREIES GEBISS

Erhoben wurden die dmft-/DMFT-Werte und abgegrenzt daraus auch der Umfang der unbehandelten Kariesläsionen. Weitere Variablen waren Geschlecht, Geburtsdatum, Nationalität und Postleitzahl des Wohnortes sowie der jeweilige Zahnarzt, der die zahnärztliche Untersuchung durchgeführt hat.

Isgesamt 37 Prozent der untersuchten Kinder hatten einen Migrationshintergrund. Rund die Hälfte der Kinder (n = 3.499; 51,9 Prozent) hatte ein kariesfreies Gebiss (dmft + DMFT = 0). Bei 1.335 Kindern (19,8 Prozent) fanden sich Zähne mit aktiven kariösen Läsionen. Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund wiesen eine höhere Karieserfahrung auf. In der Untergruppe aus 37 Prozent der Kohorte hatte 44,4 Prozent Karieserfahrung.

In der Datenauswertung zeigte sich eine deutliche räumliche Konzentration der Karieslast. In elf postleitzahlenbasierten Gebieten variierten der Kariesbefall von 26,8 bis 65,7 Prozent und die aktive Karies von 9,9 bis 29,1 Prozent. Dabei stimmten die Gebiete mit den niedrigen und hohen Anteilen an Karies jeweils überein, was auf einen starken Wohnorteffekt hinweist.

RISIKO STEIGT, WENN ÄLTERE GESCHWISTER KARIES HABEN

Bei der Analyse der intrafamiliären Effekte konnte eine spezifische Häufung von Karies in der Familie festgestellt werden. Wenn das älteste Kind einer Familie Karies aufwies, hatten auch die jüngeren Geschwister ein 3,7-fach höheres Kariesrisiko und die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein aktiver Kariesläsionen stieg um das 3,5-fache. Je größer der Altersunterschied zwischen Geschwistern war, desto geringer fiel jedoch das Kariesrisiko für jüngere Geschwister aus.

FAZIT

Der Kariesstatus des ältesten Geschwisterkindes in einer Familie kann als Prädiktor für Karies bei jüngeren Geschwistern dienen. Das Ergebnis bestätigt die bereits in anderen Studien aus Norwegen und Dänemark festgestellten Häufungen von Karies in Familien. Basierend auf diesen Ergebnissen könnte der Kariesstatus des Erstgeborenen als potenzieller Indikator genutzt werden, um gefährdete Familien zu erkennen und gezielte Präventionsmaßnahmen einzuleiten.

Viele Bemühungen der Kariesprävention konzentrieren sich auf die bekannten Risikogruppen in sozialen Brennpunkten und Gebieten mit hohem Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Eine Häufung des Kariesrisikos in einer Gruppe bedeutet jedoch immer noch, dass viele Kinder und Jugendliche weitgehend kariesfreie Gebisse haben. Wünschenswert wären da gezieltere Instrumente, um Kinder mit hohem Kariesrisiko frühzeitig zu identifizieren.

Quelle: Grieshaber, A. et al. „Caries status of first-born child is a predictor for caries experience in younger siblings”. Clin Oral Invest (2021). https://doi.org/10.1007/s00784-021-04003-6

 

 

 

 

Forscher: Neue Erkenntnisse zu Gingivitis und Körperreaktionen

Forscher der Universität Washington enthüllen neue Aspekte von Zahnfleischerkrankungen und der Schutzreaktion des Körpers.

Ein Team unter der Leitung von Forschern der Zahnklinik an der Universität Washington hat zum ersten Mal identifiziert und klassifiziert, wie verschiedene Menschen auf die Ansammlung von Zahnbelag reagieren.

Die Forscher fanden dabei auch eine bisher nicht identifizierte Reihe von Entzündungsreaktionen auf Bakterienansammlungen im Mund. Wenn sich Bakterien auf den Zahnoberflächen ansammeln, erzeugen sie eine Entzündung, um die Ansammlung zu unterdrücken. Bisher waren zwei Hauptphänotypen der oralen Entzündung bekannt: eine hohe oder starke klinische Reaktion und eine geringe klinische Reaktion. Das Team identifizierte einen dritten Phänotyp, den sie „langsam“ nannten: eine verzögerte starke Entzündungsreaktion im Gefolge der bakteriellen Ansammlung.

Testpersonen unterschiedlich anfällig für Entzündungsreaktionen
Die Studie zeigte zum ersten Mal, dass Probanden mit geringer klinischer Reaktion auch eine geringe Entzündungsreaktion für eine Vielzahl von Entzündungssignalen zeigten. „In der Tat hat diese Studie eine Heterogenität in der Entzündungsreaktion auf die bakterielle Akkumulation offenbart, die bisher nicht beschrieben wurde“, sagte Dr. Richard Darveau, einer der Autoren der Studie.

Sein Kollege und Co-Autor Dr. Jeffrey McLean sagte: „Wir haben eine bestimmte Gruppe von Menschen gefunden, die eine langsamere Entwicklung von Plaque sowie eine ausgeprägte Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft vor dem Beginn der Studie haben.“ Die Studienautoren schrieben, dass das Verständnis der Variationen in der Zahnfleischentzündung helfen könnte, Menschen mit erhöhtem Risiko für Parodontitis besser zu identifizieren. Darüber hinaus ist es möglich, dass diese Variationen in der Entzündungsreaktion in der menschlichen Bevölkerung mit der Anfälligkeit für andere chronische bakteriell-assoziierte entzündliche Erkrankungen wie entzündliche Darmerkrankungen zusammenhängen.

Neuartige Schutzreaktion des Körpers entdeckt
Die Forscher fanden außerdem eine neuartige Schutzreaktion des Körpers vor, die durch Plaque-Akkumulation ausgelöst wird und Gewebe und Knochen während der Entzündung retten kann. Dieser Mechanismus, der bei allen drei Phänotypen auftrat, nutzt weiße Blutkörperchen, die sogenannten Neutrophilen. Im Mund regulieren sie die Bakterienpopulation, um einen stabilen Zustand aufrechtzuerhalten.

In diesem Fall ist der Zahnbelag kein negativer Faktor. Im Gegenteil, die Forscher sagen, dass die richtige Menge und Zusammensetzung von Plaque die normale Gewebefunktion unterstützt. Studien an Mäusen haben außerdem gezeigt, dass Plaque auch einen Weg für neutrophile Granulozyten (Immunzellen) bietet, aus dem Blutkreislauf durch das Zahnfleischgewebe in den Spalt zwischen den Zähnen und dem Zahnfleisch zu wandern.

Fazit
Die Ergebnisse der Forscher unterstreichen, warum Zahnärzte großes Augenmerk auf eine sehr gute Mundhygiene legen sollten. „Die Idee der Mundhygiene besteht darin, die Zahnoberfläche mit geeigneten Bakterien neu zu besiedeln, die mit der Entzündungsreaktion des Wirts zusammenarbeiten, um unerwünschte Bakterien fernzuhalten“, sagte Dr. Darveau. Die Bakterien beginnen mit der Wiederbesiedlung der Mundoberfläche spontan und fast unmittelbar danach, sagte Dr. Darveau.

Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS)“ veröffentlicht.